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31.03.2024

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gefördert vom Kultursommer Suedhessen

Unzählige Musiker bewerben sich für Auftritte bei den Otzberger Sommerkonzerten, darunter zweifellos viele überragende Talente. Wir haben also ein reiches Angebot an Interpreten, und die Auswahl fällt nicht leicht.
Da wir die Konzerte von artists in residence gestalten lassen, sind nicht nur musikalische Qualitäten gefragt, sondern auch Übereinstimmung in der musikalischen Auffassung und Sympathie unter den Musikern, die sich teilweise erst bei den Proben auf dem Otzberg kennen lernen.
Wir laden deshalb in der Regel nur Musiker ein, die wir bereits live in einem Konzert erleben konnten. Zeigt sich dabei, dass ein Künstler in unsere Konzertreihe passen könnte, muss er natürlich auch Lust und Zeit haben, bei uns aufzutreten – an der Lust ist es übrigens noch nie gescheitert, an der Zeit jedoch immer wieder einmal.
Dies gilt insbesondere auch für die Musiker, die auf dem Otzberg bereits aufgetreten sind. Ausnahmslos alle wollen wiederkommen. Da sonstige Verpflichtungen dies nicht immer erlauben, kann unser Stammpublikum jedes Jahr auch neue Interpreten kennen lernen.

Darmstädter Echo 30. August 2012  | Von Christian Chur

Ein Haus voller Musik

Festival – Professionelle Interpreten aus ganz Europa bereiten sich gemeinsam für die Otzberger Sommerkonzerte vor

2012-08-30 da-echo bärtl -
Proben im Wohnzimmer: Ingrid Theis stellt ihr im Otzberger Ortsteil Zipfen gelegenes Hofgut drei Wochen lang für Musiker zur Verfügung. Die erarbeiteten Werke werden ab kommendem Wochenende bei den Otzberger Sommerkonzerten vorgestellt.

Ingrid Theis liebt Musik – und holt sich kurzum für drei Wochen im Jahr professionelle Musiker ins Haus. Talente aus ganz Europa reisen in den winzigen Otzberger Ortsteil Zipfen, um beim Ehepaar Theis zu wohnen und zu proben. Deren großzügig geschnittene Hofreite verwandelt sich dann in eine Musikakademie, in einen aus allen Räumen schallenden Klangkörper.
In knapp einer Woche studieren die Teilnehmer anspruchsvolle Stücke der Musikliteratur ein, um sie am anschließenden Wochenende bei den Otzberger Sommerkonzerten auf der Veste Otzberg vor rund 100 Gästen zu spielen. Die Besetzung wechselt dabei wöchentlich, sodass insgesamt drei Gruppen jeweils ein Wochenende musikalisch gestalten. Vereinzelt machen Teilnehmer auch für mehrere Wochen mit.

Seit 20 Jahren schwärmt die gebürtige Saarländerin Ingrid Theis durch ganz Europa, um geeignete Musiker für ihr Festival zu finden. Eine hohe Gage kann sie den Musikern nicht bieten; dafür volle Kost und Logis, einen Rundum-Wohlfühl-Service und eine entspannte Arbeitsatmosphäre.
Die 64 Jahre alte Hausherrin ist dabei keine Freundin strenger Regeln. „Das ist auch nicht notwendig, die Musiker schaffen es gut, sich selbst zu organisieren.“ Die aktuelle Gruppe hat zumindest schon einmal einen Probenplan angefertigt. Er heftet provisorisch an der Kühlschranktür in der Küche.
Für Dienstagnachmittag steht ein packendes Oktett für Streicher und Bläser auf dem Papier. Dem ersten Höreindruck nach zu urteilen, erinnert das virtuose Werk verdächtig an das Oktett von Franz Schubert. Theis stimmt zu: „Es klingt stellenweise auch sehr ähnlich. Aber für Schubert ist es zu optimistisch. Es ist von Ferdinand Thieriot.“ Der gebürtige Hamburger Thieriot habe sich aber an dem Werk des Wiener Meisters orientiert, als er es Ende des 19. Jahrhunderts komponierte, fügt sie hinzu. ’Der’ Thierot, wie Ingrid Theis liebevoll sagt, liege der Organisatorin besonders am Herzen, denn kennen tue das Stück kaum jemand.
Noch will der dritte Satz, das Scherzo, im Probendurchlauf nicht so recht klappen – aber die Interpreten haben noch bis Samstag Zeit, den rechten Schliff zu finden. Bei der Frage, ob ’der’ Thierot Schwierigkeiten bereitet, verzieht der Hornist Paolo Mendes – seinerseits gebürtiger Halb-Inder – die Gesichtsmiene: „Das klingt viel zu negativ. Wir sehen es mehr als Herausforderung.“ Die Gruppe ist auf einem guten Weg, sich zu finden, bestätigt Geiger Christoph Schickedanz. „Es ist gar nicht so leicht, mit bisher Unbekannten gemeinsam zu musizieren.“ Das unorthodoxe Programm mit Werken von Ernst Schulhoff, Bernhard Crusell oder Hans Gál in diesem Jahr macht die Sache nicht eben leichter. „Eine Vorbereitung vorab ist schwierig, wir müssen die Stücke Takt für Takt erarbeiten und wie ein Fußballteam eine gemeinsame Strategie finden.“
Schickedanz kennt das Prozedere bestens, denn er ist schon seit dem Jahr 1997 dabei. Kaum zu glauben, dass Theis den in ihren Augen damals biederen Musiker ursprünglich nicht wollte. „Ich musste ihn aufnehmen, ansonsten wären wichtige Zuschüsse vom Kultursommer Südhessen nicht bewilligt worden. Dann aber hörte ich ihn spielen und war völlig hin und weg.“ Mittlerweile gehört er gemeinsam mit seiner Frau, der Geigerin Zoya Nevgodovska, zum engen Freundes- und Teilnehmerkreis der Theis’ – und kommt immer wieder gern, sofern es sein enger Zeitplan zulässt.

Die Besetzung dieses Jahres ist eine kleine Festival-Evolution, denn mit erstmals bis zu acht Musikern können große Kammerwerke wie das Oktett von Schubert und die Septette von Beethoven und Adolphe Blanc gespielt werden. „Dafür müssen wir in diesem Jahr auf das Klavier verzichten, denn dafür ist nun in dem kleinen Saal auf der Veste kein Platz mehr“, sagt Theis. „Streifzüge durch Europa und drei Jahrhunderte“ lautet das Thema der diesjährigen Spielzeit – ein sehr vages Spiel mit den Worten, gibt Theis zu. „Dennoch passt es sehr gut, denn die 20 Teilnehmer stammen aus sieben verschiedenen Ländern und spielen Musikstücke von über 14 Komponisten aus ganz Europa.“
Bei der Frage, ob sie in naher Zukunft nicht auf einen größeren Saal ausweichen will, um mehr Zuschauern einen Platz bieten zu können, muss sie jedoch verneinen: „Das würde den Charakter des Festivals verändern.“

Harald Budweg, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11. September 2006

Auf Seitenpfaden der Musik

Verfehlen kann man sie nicht: Die etwa 40 Kilometer südöstlich von Frankfurt, etwas abseits zwischen Darmstadt und Aschaffenburg gelegene Veste Otzberg thront auf einem weithin sichtbaren Basaltkegel. Nähert man sich von der Ebene her dem Rand des Odenwalds, hat man sie stets fest im Blick. Doch vor Ort wäre dennoch alles schwierig, könnten Autofahrer nicht einer speziellen Beschilderung folgen: Otzberg ist eine Ansammlung verstreuter Einzeldörfer, und man sollte wissen, daß die Veste im Ortsteil Hering liegt.

Wer jedes Jahr im September dorthin fährt, um Kammermusik zu genießen, weiß offenbar Bescheid - kaum ein Besucher, den Ingrid Theis zur Eröffnung nicht per Handschlag begrüßt. Zum 14. Mal finden - an drei Wochenenden im September - die „Otzberger Sommerkonzerte“ statt. Die Musiker kennen und schätzen sich. Man probt zusammen, man ißt gemeinsam im Hause Theis, wo die Programme vorbereitet werden. Ingrid Theis, im Hauptberuf Grundschullehrerin in Münster bei Dieburg, doch seit früher Jugend musikerfahren, ist die künstlerische Leiterin des kleinen Festivals, dessen Struktur an Gidon Kremers Lockenhaus-Festival erinnern mag, wenngleich natürlich die meisten Künstler der Otzberger Sommerkonzerte nicht Weltstars sind. Wer sollte die auch bezahlen?

Seit 1993 gibt es den „Liedersommer“
In dem als Veranstaltungsort dienenden Museum kann Ingrid Theis nur hundert Plätze anbieten, der vom Ministerium für Wissenschaft und Kunst geförderte und von der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen unterstützte „Kultursommer Südhessen“ steuert 2700 Euro bei - das wäre gerade ausreichend für die Veranstaltung eines einzigen Konzerts, wären da nicht der Idealismus der aus eigener Tasche immer wieder erhebliche Fehlbeträge ausgleichenden Veranstalterin und der Enthusiasmus der Musiker, die, glaubt man Ingrid Theis' Beteuerungen, viel zu geringe Gagen akzeptieren. Weitere Beträge kommen von der Sparkasse Dieburg, der HEAG Südhessische Energie AG Darmstadt und einer privaten Gönnerin sowie den Mitgliedern des Förderkreises.

Dennoch - der Lockenhaus-Gedanke lebt. Das war auf dem Otzberg nicht immer so: Ins Leben gerufen wurde das kleine Festival 1993 zunächst als „Liedersommer“. Die Idee kam damals von dem Schweizer Sänger Beat Hadorn, der die kleine Konzertreihe künstlerisch leitete und hier auch Kurse gab. Ingrid Theis, damals Organisatorin, benennt kurz und knapp, woran das Unternehmen scheiterte: „Die Angelegenheit war nicht sehr erfolgreich, Hadorn sprang ab.“ Museumschef Gerd Grein, zu jener Zeit Veranstaltungsleiter, schlug 1995 vor, weiterzumachen und die künstlerische Leitung auf Ingrid Theis zu übertragen: Die heute 58 Jahre alte Lehrerin und Amateur-Pianistin ist nicht nur eine sach- und branchenkundige Musikenthusiastin, sondern hatte auch als Organisatorin viel Geschick gezeigt.
Theis übernahm und gab „ihrer“ Sommerreihe alsbald ein völlig neues Gesicht. Jeder Veranstalter kennt ja das Problem: Ist man fast mittellos, kann man sich keine großen Namen leisten. Die durchreisenden Musiker, die dennoch kommen, beschränken sich meist auf Standard-Tourneeprogramme und identifizieren sich verständlicherweise nicht mit diesem Ort.

„Keine Scheu vor zeitgenössischer Musik“
Theis hingegen ist das erstaunliche Kunststück gelungen, Otzberg ein unverwechselbares künstlerisches Format zu geben: Ihre „Artists in Residence“ kommen regelmäßig wieder, wohnen beim Ehepaar Theis und erarbeiten Kammermusikprogramme jenseits ausgetretener Pfade. „Unsere Angebote sind vielseitig und wir kennen auch keine Scheu vor zeitgenössischer Musik“, sagt Ingrid Theis und verweist auf den Umstand, nur ein einziges Gema- gebührenfreies Programm mit ausschließlich älteren Werken anzubieten. [...]

Carolin Neubauer, Darmstädter Echo am 13.9.2005

Ein ganzes Haus voller Musik
Otzberger Sommerkonzerte – Thema Brahms:
Gelungener Auftakt für die 13. Folge der Kammermusikreihe

OTZBERG. Zum 13. Mal wird der Rittersaal der Veste Otzberg jetzt zum Treffpunkt von Liebhabern der Kammermusik. Unter dem Thema „ ... Hauptsache Brahms!” stellen insgesamt 13 Musiker an sechs Abenden Kammermusikwerke von Johannes Brahms vor. Auf dem Programm finden sich auch Stücke anderer Komponisten, die – im weitesten Sinn – mit Brahms in Verbindung stehen.

Am Sonntag brillierte die israelische Geigerin Kinneret Sieradzki beispielsweise mit Maurice Ravels Konzertrhapsodie „Tzigane”. Die Brücke zu Brahms findet sich wohl am ehesten in der Anlehnung an die Zigeunermusik. Temperament und Charme zeichnete die Interpretation der jungen Künstlerin aus. Die düsteren Töne in der Soloeinleitung der Violine steigerten sich klagend zur Zweistimmigkeit und mündeten in klirrenden Flageoletts. Dann erst setzte Klaus Sticken am Klavier ein. Teuflisch virtuos ging es zu, und dennoch wagten die beiden eine facettenreiche Gestaltung. In Brahms’ Sonate für Violoncello und Klavier e- moll op. 38 hatte sich Sticken am Klavier zu Beginn sehr zurückgehalten. Das Cello von Grigory Alumyan vibrierte schon bei leichtem Bogenstrich. Die beiden Musiker passten sich schnell an die akustischen Gegebenheiten des kleinen Raumes an und schöpften aus enormer Klangpalette.
   Die akustischen Bedingungen müssen auch bei der weiteren Planung der Otzberger Sommerkonzerte beachtet werden. „Mehr als ein Sextett ist in diesen Räumen nicht möglich”, sagt Ingrid Theis. Sie organisiert seit 13 Jahren die Konzerte. Aus finanziellen Gründen ist erstmals nicht mehr das Museum Otzberg der Veranstalter, sondern der „Förderkreis Otzberger Sommerkonzerte“. Vor einem halben Jahr gegründet, haben sich jetzt schon über 70 Mitglieder angemeldet.
   Grundschullehrerin Ingrid Theis und ihr Mann beherbergen in den Konzertwochen auf ihrer umgebauten Hofreite im Otzberger Ortsteil Zipfen die Musiker. „Wenn ich aus der Schule komme, ist das Haus voller Musik”. Tatsächlich treffen sich die Musiker erst ein paar Tage vor dem Konzert im Hause Theis und proben dort die Stücke.

Einige – wie der Geiger Christoph Schickedanz – sind mittlerweile Stammgäste. Die Gage sei zwar gering, sagt Ingrid Theis, „aber die Künstler mögen die Atmosphäre.” Dass sich die Streicher, Pianisten und Sänger erst kurzfristig zusammenfinden, war bei dem Konzert am Sonntag nur selten zu hören. Das Klavierquintett   f-moll, Opus 34, von Johannes Brahms mit Klaus Sticken (Klavier), Christoph Schickedanz und Kinneret Sieradzki (Violinen), Andreas Bartsch (Viola) und Grigory Alumyan (Cello) gelang musikalisch packend. Am Ende feierten die rund 100 Zuhörer ihre Musiker.

Sandra Binder, Darmstädter Echo am 6.9.2003

Zeit zu hören, statt zu reden
Ausblick: Sommerkonzerte Otzberg: In einem Privathaus entdecken Musiker beim Proben neue Seiten des Zusammenspiels

OTZBERG. Ein Garten, der inspiriert, ein Haus mit vielen Zimmern, eine Bibliothek mit guter Akustik, eine Katze auf dem Flügel, der Blick auf den Odenwald: Im Otzberger Ortsteil Zipfen bietet Ingrid Theis, die Leiterin der Sommerkonzerte, ihren Musikern einen Mikrokosmos, in dem sie „sich wohl fühlen und nicht mehr hinauswollen“, sagt der Pianist Roberto Domingos. Am Sonntag (7.) beginnt die Konzertreihe, die im vergangenen Jahr Zuhörer aus ganz Südhessen auf die Veste zog.

Die Grundschullehrerin bringt die Musiker in ihrem eigenen Haus unter. Dort können sie proben und sich kennen lernen, denn sie kommen aus ganz Deutschland und dem Ausland: Roberto Domingos aus Karlsruhe, der Cellist Stefan Heinemeyer aus Berlin, Bratschist Martin von der Nahmer aus Wuppertal, Zoya Nevgodovska (Geige) aus Kiew, Pianist Camillo Radicke aus Dresden und Christoph Schickedanz (Geige) aus Heppenheim.

Den ganzen Tag übt jemand im Haus. Stört das die Bewohner nicht irgendwann? „Nein, überhaupt nicht“, widerspricht Ingrid Theis: „Wenn ich nach dem stressigen Schulalltag nach Hause komme und im dritten Stock spielt eine Geige, während das Cello aus der Bibliothek schallt und der Flügel aus dem Wohnzimmer, dann ist das für mich reine Erholung.“

Die Idee, die Künstler während einer Konzertreihe bei sich wohnen zu lassen, weckt Erinnerungen an Mäzene des 19. Jahrhunderts, die ihre Salons für Künstler und Musiker öffneten und ihnen Essen und Kontakte zu reichen Gönnern boten. Tatsächlich ist die Idee zur Otzberger Sommerkonzertreihe während eines Hauskonzerts beim Ehepaar Theis entstanden. Gerd Grein vom Museum in der Veste Otzberg hatte vorgeschlagen, die Konzerte in die Veste zu verlegen.

Das Ehepaar Theis öffnet sein Haus, stellt Gästezimmer, Essen, einen Flügel und kleine Gagen zur Verfügung und profitiert im Gegenzug „von der Nähe zu den Künstlern“, sagt Ingrid Theis. Das Ehepaar trägt auch die Verluste. „Die Konzerte haben sich noch nie selbst getragen“, sagt sie und zuckt die Schultern: „Andere haben auch teure Hobbys.“

Welche Stücke spielt man in solch einer familiären Umgebung? „Lieblingstücke“, sagt Stefan Heinemeyer, „Stücke, die die Zeit brauchen, in denen man Spontaneität ausleben kann.“ Denn bei der intensiven Probenarbeit, den gemeinsamen Abenden bei Essen und Gesellschaftsspielen und der Abgeschlossenheit des Hauses der Familie Theis entsteht eine intime Atmosphäre. Die Musiker lernen ihren Spielpartner ganz anders kennen, als das in einem geregelten Probebetrieb möglich wäre. Sie wissen um seine Eigenheiten. „Wenn man erlebt, wie der andere auf Witze reagiert, dann hat das auch Auswirkungen auf das gemeinsame Spiel“, sagt Heinemeyer. Und Domingos fügt hinzu: „Wenn man zu viel Schwierigkeiten abspricht, zerstört das jede flexible Linie.“ In Otzberg sei das anders: „Hier hat man Zeit zu hören, statt zu reden.“

Ihren Hauskonzert-Charakter haben die Sommerkonzerte nie ganz abgelegt. Der Rittersaal in der Veste hat nur Platz für 80 Personen und bietet einen traumhaften Ausblick auf die Hügellandschaft des Odenwalds. Das Publikum rückt den Musikern dabei ganz nah. „Eine Trompete wäre hier viel zu laut“, sagt Domingos. So kam das Motto der diesjährigen Reihe zustande: „242 Saiten“, verteilt auf fünf Instrumente.

Christiane Schiemann, Skript für  ”Musikszene Hessen” gesendet am 6.9.2003 in HR2 und HR Klassik
 

Es gibt sie noch, die kleinen Paradiese.

Eines davon findet sich im Odenwald – auf dem Otzberg. Oben auf steht eine Veste aus dem 12. Jahrhundert; heute ein Museum. Rund herum liegen Ortschaften mit putzigen Namen.

In Otzberg-Zipfen hat sich das Ehepaar Theis auf einem alten Anwesen niedergelassen. Der frühere Bauernhof wurde irgendwann zu einer Pension umgebaut, die allmählich verfiel. Heute hat das Ehepaar Theis das Gebäude zu einem Mehrfamilien-Hof verwandelt. Und im Sommer wird daraus gar eine private Künstlerkolonie. Jedes Jahr nach den Sommerferien werden von hier aus die „Otzberger Sommerkonzerte” veranstaltet. Aus Freude an der Musik – und aus Offenherzigkeit. Die Seele der Konzertreihe, Ingrid Theis.
[O-Ton 0‘53: (P) schiemann otz t anfänge]

Ingrid Theis ist Grundschullehrerin. Mit Musik hat sie praktisch nichts zu tun – keine Geschichten, sie habe als Kind schon dies oder das vollbracht. Sie hört gerne Musik, und mit ihrem Mann reist sie auf Festivals, um Neues zu entdecken. Diese Liebe reicht aus, um die eigene Konzertreihe auf die Beine zu stellen.
[O-Ton 0’44: (P) schiemann otz t orga-zyklus]

Zum elften Mal starten die „Otzberger Sommerkonzerte“ in diesem Jahr. Seit dem letzten Jahr gibt es das Konzept der „Artists in Residence”, das heißt: alle Konzerte werden von den gleichen Künstlern gegeben, und die residieren die Konzertsaison über in Otzberg – auf dem Anwesen der Theisens. Jede Saison hat ihr eigenes Motto, und eigentlich wechseln auch jedes Jahr die Musiker – oder doch ein Teil der Besetzung. Streicher, Pianisten, Holzbläser, Sängerinnen und Sänger waren schon da. In diesem Sommer allerdings finden sich dieselben Künstler ein wie im letzten Jahr.
[O-Ton 0’12: (P) schiemann otz t 242 Saiten]

Das Programm reicht vom 17. bis ins 20. Jahrhundert. Weil die Veranstaltung aus dem Privaten heraus organisiert wird, richtet sich Ingrid Theis gern nach den Wünschen des Publikums. Als nach einem Streichquartett gefragt wurde, reiste sie herum, um eine passende Bratsche zu finden – und fand auch gleich zwei Geigen, die sie ebenfalls einlud. Doch sie will auch nicht ausschließlich die großen Schlager hören. Und so stehen in diesem Jahr neben Schuberts Notturno oder Haydns Klaviersonate Nr. 50 auch Bartok-Duos und Ligety-Sonaten auf dem Programm, und neben oft Gespieltem gibt es selten Gehörtes auf dem Otzberg.

Die Vorbereitungen für die Konzerte in diesem September laufen seit einer Woche. Pianist Roberto Domingos und Cellist Stefan Heinemeyer waren schon Anfang der Woche da, der Rest der Musiker kam am Donnerstag nach: aus Berlin und Dresden. Das Haus hat sich also allmählich mit Musik gefüllt – Ingrid Theis führt durch die Räume:
[Atmo 2‘24: (P) schiemann otz t r1 nach 0’33 drüber mit Text, Musik wird noch gebraucht] 

Vom großen Wohnzimmer aus sieht man oben auf dem Berg die Veste, wo die Konzerte stattfinden. Unten der riesige Garten mit Teich und eigenem Rotwein-Anbau, ein Stockwerk höher liegen die drei Musikerzimmer. Dazwischen huscht die Hauskatze herum – auch sie läßt sich die Musik gefallen. Platz genug zum Leben und arbeiten.
[O-Ton 0’17: (P) schiemann otz t sauna Musik hoch bis 1’17, dort drüber mit Text, Musik ausblenden bis Ende des folgenden Absatzes]

Roberto Domingos und Stefan Heinemyer haben sich vor einigen Jahren durch die Otzberger Konzerte kennengelernt. Der eine nach Abschluß seiner Studien, der andere als Jungstudent. Heute unterrichtet Domingos an der Musikhochschule in Karlsruhe, Heinemeyer spielt in vielen Ensembles und nimmt erfolgreich an Wettbewerben teil.
Gefragt nach ihrem Tagesablauf gucken sich die beiden erst einmal mit Lausbubengesichtern an.

[O-Ton 1’06: (P) schiemann otz hd arbeitstag  (Achtung: bitte nachpegeln!!!)]

Immerhin – seit ihrer ersten Zusammenarbeit auf dem Otzberg haben die beiden öfters zusammen konzertiert und auch eine CD produziert.

[CD T13, Anfang – 0‘27]

Der Otzberger Idylle fehlt eigentlich nur eines: Sponsoren. Denn da dieses Paradies ein irdisches ist, will es finanziert werden. Zwar stellt das Museum in der Veste den Saal und die Bestuhlung zur Verfügung, unterstützt die Druckerei die Produktion der Programmhefte, geben andere Beteiligte Rabatte – doch das kann nicht reichen. Es gibt noch genug Posten, die zu buche schlagen. Bislang nimmt das Ehepaar Theis es gelassen.

[O-Ton 0’52: (P) schiemann otz t finanzen.]